Auf den Punkt: Was bedeutet es – oder auch nicht, ein Abitur zu haben oder Ausbildungsreif zu sein?

Auf den Punkt: Was bedeutet es – oder auch nicht, ein Abitur zu haben oder Ausbildungsreif zu sein?  <br><img class="text-align: justify" src="https://bildungswissenschaftler.de/wp-content/uploads/2013/07/praxis_120.png"/><img class="text-align: justify" src="https://bildungswissenschaftler.de/wp-content/uploads/2014/08/meinung_120.png"/>

In einer Gesprächsrunde mit mehreren produzierenden, kleineren Betrieben kam erneut die Sprache auf den Umstand, dass so viele Jugendliche studieren wollen und dafür natürlich alles versuchen, in der Schule immer weiter zu kommen. Mit „weiter“ war hier gemeint, einen Weg zum höheren Schulabschluss zu finden. Denn nur mit diesem sei fast garantiert, dass man in Deutschland „etwas wird“. „Und was sollen wir dem mit einer Ausbildung entgegensetzen?“, war dann die Frage in die Runde. Wie üblich kam dann die Klage, dass die Schulen nicht mehr vorbereiten, die Eltern nicht mehr Vorbild sind, die Gesellschaft und die Jugendlichen und und und…..

Ich habe darauf etwas über unsere Bildungsstruktur erzählt und war wieder mal überrascht, wie wenig Wissen über duale Ausbildung, das Bildungssystem an sich und über die Zusammenhänge des Systems vorhanden ist. Gerade bei denen, die bereits (teils langjährig) ausbilden. Unternehmen, die manchmal als Weltmarktführer absolut kreative, innovative und neue Produkte entwickeln, tun dies in der Berufsbildung eher weniger. „Da gibt es ein System, worauf wir uns verlassen“.

Für mich war es wichtig zu sagen, dass ein Schulabschluss oder ein Abitur erstmal keine Befähigung zu etwas ist, sondern in erster Linie die Erlangung einer Erlaubnis für etwas Weiterführendes. Wer eine Fachoberschulreife bekommt, der darf die Fachoberschule besuchen. Im Weiteren erlaubt beispielsweise eine Fachhochschulreife den Besuch einer Fachhochschule – also man „darf“ ein Fachhochschulstudium absolvieren. Die allgemeine Hochschulreife wiederum berechtigt zur Aufnahme eines ungebundenen Studiums. Die allgemeine Hochschulreife kann man im Regelfall nur auf dem Gymnasium oder beispielsweise über die Gesamtschule erhalten.

Auch die Ausbildungsreife ist kein Befähigungsnachweis – es ist sogar so, dass Ausbildungsreife zu nichts berechtigt. Sie ist keine Erlaubnis zur Aufnahme einer Berufsausbildung und die Folge einer (nicht reproduzierbaren) Zuweisung durch Akteure im Übergangssystem. Jemand der als nicht ausbildungsreif deklariert wird, kann trotzdem eine Ausbildung aufnehmen – jemand der als ausbildungsreif erklärt wurde, kann auch bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz auf der Strecke bleiben. Dieser Zusammenhang wird datentechnisch nicht erhoben und auch nicht verfolgt. Der Grund ist, dass es eben hierbei keinerlei Zusammenhang gibt.

Einige interpretieren in Schulabschlüsse oder das Abitur eine höhere Sozialkompetenz der Jugendlichen gegenüber denen hinein, die keinen oder einen „niedrigeren“ Schulabschluss haben. Das dem so ist, kann allerdings nicht nachgewiesen werden. Man findet alle Grade von Sozialkompetenzen überall, egal welchen Abschluss ein Mensch hat. Und genau hier wird dann wieder mit den Gesprächspartnern diskutiert – in der Art „das glaub ich aber nicht“.

Zuletzt bleibt noch das Argument im Raum, dass der höhere Schulabschluss zumindest nachweist, dass ein Mensch bestimmte und vorteilhaftere (verwertbare) „Denkstrukturen“ aufweist. Hier ist es so, dass der erfolgreiche Nachweis (Schulabschluss) mit der Fähigkeit begründet wird, ein bestimmtes System zu bedienen. Diese Kompetenz sagt wiederum nichts darüber aus, wie der gleiche Mensch in anderen Systemen zurecht kommt. Umgangssprachlicher formuliert: Wenn etwas Spaß macht, lernen wir schnell. Wenn etwas keinen Spaß macht, lernen wir langsam oder manchmal auch gar nicht.

Daher würde ich alle Leser- und Leserinnen einmal bitten, Hinweise auf Erhebungen oder Studien zu geben, in wie weit Sozialkompetenzen, Kompetenzen und Schulzertifikate miteinander in Verbindung stehen. Wer kennt da Literatur – egal mit welcher Ergebnislage?

©2019 Achim Gilfert. Dieser Beitrag ist zur Weiterverbreitung nach den in diesem Blog veröffentlichten Regeln zum Urheberrecht veröffentlicht. Diese Regeln finden Sie hier: Urheberrechtshinweise.

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