Ich – der Beruf. Ich erkläre mich jetzt mal!

Ich – der Beruf. Ich erkläre mich jetzt mal!<br><img class="text-align: justify" src="https://bildungswissenschaftler.de/wp-content/uploads/2013/07/praxis_120.png"/><img class="text-align: justify" src="https://bildungswissenschaftler.de/wp-content/uploads/2013/07/theorie_120.png"/>

Die Themen rund um Arbeit und Beruf sollte man auch mal ganz speziell betrachten. Lassen wir doch einmal den Beruf selbst zu Wort kommen. Er soll mal seine Sicht auf bestimmte Dinge darlegen und auch seinen Diskurs mit der Arbeit erläutern. Es ist spannend was der Beruf so erzählt und ich werde demnächst noch ein Interview mit ihm führen. Viel Spaß beim wahrscheinlich nicht ganz flüssigen lesen:

Ich bin´s, der Beruf. Ja, ich bin schon geknickt. Die Menschen sagen, ich wäre ein theoretisches Konstrukt. Das hört sich für jemanden abstrakten wie mich gar nicht schön an. Ich wäre nicht fassbar und die meisten können mich gar nicht genau erklären. Rein theoretisch bin ich eine Schnittstelle zwischen der natürlichen Lebensform Mensch auf der Erde und einer von dieser geschaffenen, künstlichen Welt auf der gleichen Erde. Fast alle Menschen wissen, dass es mich gibt. Und die meisten haben mich sogar. Die einen haben eine Bescheinigung über mich und andere haben mich „einfach so“. Ich bin da, weil Menschen Erfahrungen haben und ich bin da, weil Menschen in vorgegebenen Strukturen alles versuchen, mich „bescheinigt“ ihr eigen nennen zu können. Da habe ich mich häufiger schon gefragt, wo da jetzt der Unterschied ist. „Ich bin ich“. Und meist gehöre ich zu jemand, auch wenn mir alle häufig einen anderen Namen geben. In unseren internen Diskussionen, in welchen ich mich dauernd mit der Arbeit auseinandersetzen muss, also der Kollege, der dafür sorgt, dass Menschen eine Tätigkeit ausführen können um dann dafür ein Tauschmittel zu bekommen, damit die Menschen dies wieder abgeben können und für diesen Tausch dann Nahrung bekommen. Oder einen Fernseher. Das sind dann die, die in der Lage sind, lange Schachtelsätze zu bilden.

Aus Geschichtsbüchern weiß ich noch, dass es früher mal direktere Wege der Menschen zu Nahrung gab. Ich habe gelesen, Menschen würden Tiere fangen, töten und könnten dann direkt essen. Also sowas, wie gewöhnlich. Aber irgendwann muss ja mal jemand darauf gekommen sein, mich zu erfinden. Ich denke mal, wahrscheinlich nach der Zeit als Menschen anfingen Tauschmittel zum Nahrungserwerb zu nutzen. Auf jeden Fall rät mir die Arbeit, dass ich mich bei meiner ausführlicheren Vorstellung auf ein Land, der Vorschlag ist Deutschland, konzentrieren soll. Das ist wichtig, weil sich Menschen (so gleich sie auch sind) an verschiedenen Orten der Welt unterschiedliche Gedanken über mich machen. Auf diesem Wege könnte ich mich gut erklären, weil hier das Land selbst ein System hat, in welches ich hinein passe und sogar als systemrelevant bezeichnet werde. Das war übrigens auch so was, was in meinem Geschichtsbuch stand.

Eigentlich hatten Menschen gar keine räumlichen Abgrenzungen, wenn man mal von der eigenen Höhle der einzelnen Sippe absieht. Die Abgrenzungen entstanden oft durch die unterschiedlichen Sprachen und weil man sich daher untereinander nicht mehr verstehen konnte. Aber sonst? Die Menschen fingen irgendwann an, Grenzen zu ziehen und zu sagen. „Das hier, diese Erde ist meins. Und weil ich viele kenne die meiner Meinung sind, ist es nicht nur meins, sondern unsers“. Und die anderen haben „ihrs“. Komisch, Menschen haben irgendwie die Angewohnheit die Dinge zu sortieren. Und wenn die Dinge sortiert waren, wurde bestimmt wer da einsortiert wird. Aber das bestimmten meist die sortierenden Menschen und nicht die Sortierten. Jedenfalls ist Deutschland eine Gegend, in der immer gerne und viel strukturiert wird und daher soll ich mich (meint die Arbeit) hier besser mal vorstellen.

Das ist lustig, die Arbeit sagte mir noch, in Deutschland ist es so, dass je komplizierter und unerklärbarer die Dinge sind, sich die Menschen als die Fortschrittlichsten bezeichnen. Das ist ein wenig so wie die Einführung der Tauschmittel. Die Frage, wie es zu mir kam, ist wichtig. Denn nur so können die Menschen verstehen, welche Bedeutung ich für sie heute habe. Es fühlt sich schon gut an wenn die Menschen in Deutschland sagen: „Hey, jeder braucht einen Beruf“ oder „Wer keinen Beruf hat, der wird nichts im Leben“. Das schmeichelt mir zwar, aber ich bekomme doch auch manchmal ein schlechtes Gewissen, dass es von mir abhängen soll, ob ein Mensch im Leben was wird. Ehrlich gesagt verstehe ich gar nicht, was mit „wird“ gemeint ist. Wenn Menschen geboren werden sind sie doch Menschen. Was mehr sollten sie werden? Gerade, als ich darüber nachdachte, kam der Kollege Arbeit wieder vorbei. „Na, Beruf, alles im Takt?“ fragte die Arbeit. Ich erklärte der Arbeit, worüber ich mir Gedanken mache. Und wie immer wusste die Arbeit eine Antwort auf meine Fragen.

„Also, pass auf Beruf. Bei dir gibt es nur dich und du erhältst viele verschiedene Namen von den Menschen, die dich haben. Und je nachdem wie du genannt wirst komme ich dann ins Spiel. Genauso wie von dir gibt es von mir viele verschiedene Varianten. Ich sag mal so: Ich bin manchmal schmutzig, schwer oder leicht und ich bereite dem einen Freude und dem anderen Leid. Es gibt sogar einige Menschen, die mich gar nicht haben wollen oder mich nicht mehr haben können, weil es nicht so viel von mir gibt. Alle Menschen mit mir  beobachten und kontrollieren dann die ohne mich und nennen diese Hartzer“. Irgendwie kam ich mit der Arbeit jetzt nicht mit und habe dann doch gefragt, was diese ganze Erklärung soll. Was werden Menschen denn nun, wenn sie was werden. Ja und da erläuterte die Arbeit „Mensch Beruf, hier sortieren sich die Menschen wieder. Und zwar sich selbst. Aber die sortieren sich erst mal nicht nach Größe, Farbe (wobei…), Kraft oder Geschwindigkeit, sondern danach, in welche Kategorien sie sich selbst eingeordnet haben. Und diese Kategorien werden dann mit abstrakten Werten versehen. So meinen die Menschen, sich selbst an einer Skala von -wird nichts- bis –wird was-  einzuordnen. Ja und der Clou ist jetzt erst mal, dass du und ich dazu benutzt werden. Ich als Arbeit werde dazu missbraucht und an zweiter Stelle du als Beruf. Denn wenn du keine Einordnung der Menschen ermöglichst, dann kann ich das aber immer noch“.

Ich glaube nun verstehe ich. Vielleicht liegt es auch an der Sortierung, ob mich ein Mensch wählen darf oder nicht. Meine Güte, das ist aber mächtig kompliziert. „Ja, sagt die Arbeit, du hast aber noch ein Problem: Es liegt auch an mir, ob der Mensch dich haben darf. Denn vorher muss der Mensch bestimmte Dinge über mich lernen, bevor er dich haben darf. Kollege, ohne mich bist du nichts und ohne dich bin ich doch!“. Meine Güte, zum Glück ist die Sitzung mit der Arbeit endlich vorbei und ich kann mich wieder darauf konzentrieren den Menschen zu erklären, was ich bin. Deswegen beginne ich mit einer kleinen Reise durch die Zeit. Dabei weiß ich jetzt gar nicht mehr, wann ich geboren wurde. Mir scheint eher, dass ich auch eine der Sortierungen bin, von denen die Arbeit gesprochen hat. Typisch Arbeit: sie meint ja auch immer, sie wäre älter als ich und ich würde gar nicht da sein, wenn es sie nicht gäbe. Ich fange jetzt einfach mal an zu erzählen, an welche Dinge ich mich noch erinnern kann.

Also die Menschen sortieren ja auch ihr Leben nach Einheiten, die sie Zeit nennen. Und ich würde sagen, als die ersten Menschen eine abgegrenzte und auch wiederkehrende Arbeit (da ist sie schon wieder) für andere Menschen geleistet haben, da kam ich ins Spiel. Einige sagen, ich wäre das Ergebnis einer Zerlegung von Arbeit und wieder andere sagen, ich bin Ergebnis von Tätigkeiten, die nicht direkt mit dem Nahrungserwerb von Menschen zu tun haben. Und weil die Menschen sich selbst in ihrer Welt entwickeln, haben sie Bedarfe, die sich erstmal nur wenig veränderten. Ich selbst kann  gar nicht mehr nachvollziehen, wann ich denn zu Tage trat, aber die frühesten Namen, die mir gegeben wurden, waren Schmied, Zimmermann, Priester, Heiler und Wächter. Mit den Jahren kam es so, dass ich in Gruppen sortiert wurde und in Zünften und Gilden zusammengefasst wurde. Die hatten dann die Aufgabe, die nachfolgenden Menschen (dazu muss man wissen, dass alle Menschen sterben müssen, während ich bleibe und sogar vererbt werden kann) auszubilden. Auch hier wurde wieder sortiert, denn mich gab es in ehrlicher und unehrlicher Form. Wenn mich also ein Mensch besaß, der auf Anweisung anderer, andere Menschen töten mussten (die Bezeichnung war für mich Henker), wurde ich unehrlich. Was heißt „wurde“. Da ich in diesem Fall vererbt wurde, war ich schon per se unehrlich und im Besitz des Nachwuchses.

Es gibt auch einige, die eine Berufung in mir sehen. Das wären z.B. Ärzte, Richter, Pfarrer oder Lehrer. Das soll wohl bedeuten, dass ich hier praktisch nicht nur wegen dem zu erlangenden Tauschmittel vergeben bin, sondern mehr als das in mich hineininterpretiert wurde. So eine Art Pflichtbewusstseinsgefühl und ein hohes Verantwortungsgefühl anderen Menschen zum Wohle gegenüber. Ich schätze, es handelt sich dabei um eine Form, in welcher die Arbeit am Naturobjekt selbst durchgeführt wird. Einmal um für den einzelnen Menschen da zu sein (die Arbeit hat mir mal erzählt, Menschen seien soziale Wesen), oder um die Menschen so zu machen, damit Sie das tun, was wieder andere, in andere Gruppen einsortierte Menschen sagen. Klar, das verstehe ich. Soziale Wesen helfen sich zum Beispiel gegenseitig mit Waffen, damit andere soziale Wesen getötet oder besser verletzt werden können (es heißt, Verletzte sind besser, weil sie mehr Aufmerksamkeit bedürfen und Personal binden, was dann nicht kämpfen kann), weil die eben nicht in die Sortierung einer Gruppe passen. Wobei andererseits die gleichen sozialen Wesen sich gegenseitig helfen und pflegen. Krass! Aber ich lasse das mal, denn ich als Abstraktion werde das sowieso nicht verstehen. Ich sag mal einfach, die Menschen sind wie sie sind. Da kann ich als Beruf auch nichts dran machen. Aber wenn ich es mir aussuchen könnte, wäre ich lieber Busfahrer als Waffenschmied.

Irgendwie kommt mir bei meinen Erklärungen um mich immer irgendwas Komisches dazwischen. Es scheint alles zu kompliziert zu sein. Zum Beispiel 1731. In dieser Zeit gab es Zünfte und Gilden, die sich im Mittelalter entwickelt haben. Da war es so, dass ich in aller Regel nur vererbt werden konnte. Wer als Sohn eines Bäckers geboren wurde, der hatte und durfte auch nur Bäcker werden. Die Zünfte hatten ein Ausbildungsmonopol und der Lehrling unterstand dem Lehrherren „ganz und gänzlich“. Das ganze bedeutete aber auch, dass ich nur innerhalb bestimmter Gruppen weiter gegeben werden durfte. Mit den Jahren schienen die Menschen das nicht mehr hinzunehmen und begannen sich zu fragen, warum ich nicht auch von jemand ausgeübt werden darf, der sich die Arbeit zutraut oder einfach gerne ausüben möchte. Das war sehr schwierig, denn die Jahrhunderte alten Regeln der Zünfte konnte man nicht einfach ignorieren. Den Zünften lag ja auch ein Ausbildungssystem zugrunde, welches eingehalten werden musste. Und da sollte ich einfach ohne jede Ausbildung irgendjemanden anheim gestellt werden, der sich dann „mal ausprobieren“ durfte? Also das ist ja kurios. Gerade heute, im Jahre 2014, hat mir die Arbeit noch erzählt, dass sich die Menschen wieder ähnliche Gedanken machen. Nur anders.

Ich denke, ich lasse es einfach jetzt. Ein Blogger hat mich angesprochen und gefragt, ob er mich befragen darf, wer ich bin und warum ich bin. Vielleicht fällt es mir dann leichter das ganze zu erklären. Der Blogger hat gesagt, er will das Gespräch mit mir strukturieren….in Kategorien….also sortie….Ich warte mal einfach ab.

Euer Beruf

©2014 Achim Gilfert. Dieser Beitrag ist zur Weiterverbreitung nach den in diesem Blog veröffentlichten Regeln zum Urheberrecht veröffentlicht. Diese Regeln finden Sie hier: Urheberrechtshinweise.

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