Verzerrungen auf dem Ausbildungsmarkt durch öffentliche Förderung am Beispiel der Friseure
Als ich in Hagen die Berufsgruppe der Friseure und ihr Ausbildungsverhalten analysierte, kam ich zu folgendem Ergebnis. 60 % aller Auszubildenden in dieser Stadt absolvieren eine Erstausbildung in geförderten Maßnahmen. 60 % aller Auszubildenden in diesem Beruf befanden sich in BaE (Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen entweder integrativ, also ein Bildungsträger vermittelt die Ausbildungsinhalte oder kooperativ, bei welcher ein Kooperationsbetrieb die Vermittlung der Ausbildungsinhalte übernimmt und nur der Ausbildungsvertrag bei einem Träger angesiedelt ist). Was ist jetzt daran so schlimm, denn die Jugendlichen bekommen doch alle eine Ausbildung…
Es gibt mehr Auszubildende in dem Beruf als es Friseurbetriebe in dieser Stadt gibt! Das bedeutet, dass zwar die meisten am Ende wahrscheinlich den anerkannten Berufsabschluss haben, aber nur die Minderheit die Schwelle 2 überschreitet. Nämlich die Aufnahme ungeförderter Erwerbstätigkeit. Zum einen passiert das, weil es auf dem Markt der Arbeitssuchenden (SGB II und SGBII) zusätzlich eine große Anzahl von Menschen mit entsprechender Qualifikation gibt, die wieder eine Erwerbstätigkeit aufnehmen wollen und zum zweiten stehen einfach zu viele fertige Fachkräfte zur Verfügung. Der Schluss daraus lautet: BaE, jedweder Art, können in diesem Umfang zukünftige Arbeitssuchende produzieren. Das Problem an sich wird von Schwelle 1 auf Schwelle 2 verschoben.
Zusätzlich zu dieser Problematik stellt sich noch die Frage, welche Konsequenzen der massive Einsatz von BaE auf das Ausbildungsverhalten der Betriebe hat. Warum selbst ausbilden, wenn man doch nur etwas warten braucht, und die Ausbildung fremd finanziert und gefördert wird? Warum soll ein Betrieb einen Ausbildungsvertrag mit allen arbeitsrechtlichen Konsequenzen eingehen? Warum soll ein Betrieb eine volle Ausbildungsvergütung zahlen? Warum soll ein Betrieb eine Unfallversicherung bezahlen? Das alles kann ein Betrieb über BaE haben. Vor dem Hintergrund des Prinzips der Defizitförderung einerseits wird andererseits ein Defizit (auf betrieblicher Seite) geschaffen. Die Betriebe in den entsprechenden Branchen werden zu einem passiven Ausbildungsverhalten erzogen und die Ausbildung an sich dient nicht mehr der Ausbildung von geeignetem Nachwuchs für die Betriebe, sondern stellt eine Art Dienstleistung des Betriebes an den Fördergeber dar.
Zusätzlich gibt es eine weitere Schwierigkeit. Auf den Gesellenbriefen und Prüfungszeugnissen ist der Ausbildungsbetrieb aufgeführt. Für jeden Arbeitgeber ist ersichtlich, dass die Berufsausbildung nicht als reguläre Erstausbildung in einem Betrieb durchgeführt wurde. Da bei sehr vielen Betrieben bekannt ist, das im Grunde Defizite gefördert werden, gehen diese davon aus, dass die Auszubildenden in BaE an sich problematisch sind. Der Übergang über die Schwelle 2 in eine feste Erwerbstätigkeit als Absolvent einer BaE ist deutlich schwieriger als bei regulärer Erstausbildung. Und als wäre es nicht schon genug ergibt sich noch eine Krux. Durch den starken Einsatz von EQ (Einstiegsqualifizierungen) im Friseurbereich (Die Berufsgruppe schein sich sehr gut dafür zu eignen) werden in den Betrieben auch hier Potentiale belegt, die dann nicht mehr für eine reguläre Erstausbildung genutzt werden können.
Im Resultat kann man durchaus von einem zusammenbrechendem und verzerrtem Ausbildungsmarkt in dieser Berufsgruppe sprechen. Zumindest die Marktgegebenheiten sind nicht mehr gegeben. Dieser Beitrag stammt aus dem Jahre 2011 und die Agenturen für Arbeit haben angekündigt, die Mengengerüste an BaE und EQ zu reduzieren, jedoch sind die Kinder die gleichen geblieben. Da weiterhin alle versorgt werden müssen, wäre eine Recherche der tatsächlichen Belegung dieses Ausbildungsformates angezeigt. Vielleicht kann hier jemand mithelfen.
©2014 Achim Gilfert. Dieser Beitrag ist zur Weiterverbreitung nach den in diesem Blog veröffentlichten Regeln zum Urheberrecht veröffentlicht. Diese Regeln finden Sie hier: Urheberrechtshinweise.
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