Betriebe und Jugendliche – Ein kommunikativer Teufelskreis

Betriebe und Jugendliche – Ein kommunikativer Teufelskreis<br><img class="text-align: justify" src="https://bildungswissenschaftler.de/wp-content/uploads/2013/07/theorie_120.png"/><img class="text-align: justify" src="https://bildungswissenschaftler.de/wp-content/uploads/2013/07/praxis_120.png"/>

„Die Jugendlichen können unsere Anforderungen nicht mehr erfüllen – Ausnahmen gibt es natürlich“ lautet die oft gehörte Klage der Betriebe. „Wir wollen doch einen Ausbildungsplatz, aber wir  werden nicht genommen obwohl genug Ausbildungsplätze frei sind“ vernimmt man im Gegenzug von Jugendlichen, denen das Ganze unverständlich ist. „Das Matching passt nicht“, sagen viele, die versuchen Jugendliche auf  Ausbildungsplätze zu vermitteln. Dabei führen alle Akteure Begründungen an, die einzeln betrachtet durchaus nachvollziehbar und verständlich sind. Auch deshalb gibt es unzählige Projekte, die ein besseres Matching ermöglichen sollen und versuchen, möglichst alle Bedürfnisse zu beachten. Die Berufsorientierung wird forciert und weiter verbindlich geregelt (in NRW zum Beispiel über KAoA – Kein Abschluss ohne Anschluss). Doch das Problem scheint sich immer weiter zu verschärfen. Mittlerweile verspüren die Jugendlichen kaum noch Lust daran, eine Ausbildung aufzunehmen. Die Gründe sind auch hier verschieden und mehr oder minder erhoben (dazu gehören bessere Aufstiegschancen oder eine höhere Entlohnung über den Weg des Studiums).

Im Rahmen der öffentlichen Berichterstattung und der offenen Kritik verschiedener Akteure im Ausbildungsmarkt haben Jugendliche registriert und zur Kenntnis genommen, dass sie offenbar die Erwartungen der Betriebe in einer Ausbildung oder zur Aufnahme einer solchen, nicht mehr oder nur sehr schwer erfüllen können. Ein Mensch muss emotional ziemlich gefestigt sein wenn er darum weiß, einer Gruppe anzugehören, die zum Beispiel keine Sozialkompetenzen hat oder nicht mehr richtig sprechen, lesen und rechnen kann. Also praktisch genau die Kompetenzen, die unsere Betriebe erwarten. Entwicklungspsychologisch betrachtet, dürfte nur eine Minderheit der Jugendlichen die zur inneren Klärung notwendige emotionale Festigung besitzen.

Gesellschaftliches Bild AN_AGIn Erweiterung dieser grundsätzlichen Kompetenzkritik der Unternehmen an den Jugendlichen, muss sich der Nachwuchs mit der gesamtgesellschaftlichen Erwartung auseinandersetzen. Diese fordert zum Beispiel, Hoffnungsträger der zukünftigen Generation sowie Hüter der Traditionen der gegenwärtigen und vergangenen Generationen zu sein. Ebenfalls wird ihnen die Aufgabe zugewiesen, die finanziellen Lasten der heutigen Generation zu schultern. Wer dieser Instrumentalisierung nicht entsprechen kann oder will, ist Teil einer gesellschaftlichen und institutionellen Problemlage. Die Gesellschaft äußert jedoch nicht nur die Erwartung der Entsprechung, sondern weist dem Nachwuchs für die möglichen Konsequenzen (zum Beispiel die des Fachkräfteproblems) bereits die Schuld zu, obwohl diese Jugendlichen noch nicht angefangen haben, sich auf den Weg in die Arbeitswelt zu begeben. Und anders als in früheren Zeiten ist dieser Umstand durch die verfügbaren digitalen Medien verschriftlicht und kontinuierlich verfügbar. Die Kritisierten können dies jederzeit und an jedem Ort nachlesen.

Die Folgen dieser Umstände lassen sich über ein Teufelskreismodells ableiten.

Teufelskreis-Betrieb_Jugendliche-1024x663Wir können davon ausgehen, dass sich aufgrund der Ungleichheit der Akteure eine kommunikative Schieflage gebildet hat, die durch Sachargumentation und Rationalität nicht gerade gerückt werden kann. Emotionale und rationale Aspekte kollidieren in einer Art und Weise, die eine einseitige Problemlösung ausschließen. Jeder der Akteure hat seine Argumentation und Begründung der Situation, jedoch scheint es kaum möglich, aufeinander zuzugehen. Ein Grund kann in der autoritären Asynchronität liegen, die es so schwierig macht. Die betriebliche Seite wird von sich selbst in der Regel als unverrückbare Konstante angesehen, wo die Jugendlichen „hingeführt“ oder angepasst werden müssen. In gewisser Weise wird eine gewünschte Identität geäußert. Gleichzeitig befindet sich der Nachwuchs entwicklungspsychologisch eben in dem Lebensalter, in welchem sich jene Identität heran bildet. Sie sind Teil der Multioptions- oder Risikogesellschaft, in welcher normative Orientierung  zugunsten großer Wahlmöglichkeit eingetauscht wurde. Die daraus resultierenden Probleme machen es nicht einfacher.

Nun kann man sagen, dass die klar formulierten Erwartungen der Betriebe doch auch eine Art Orientierung darstellen. Diese lässt sich jedoch nicht mit der durch gesellschaftliche Zwänge und Erwartungen verursachten Orientierung vergleichen. Die Erwartungen der Unternehmen sind meist rationaler Art und kollidieren mit der Identitätsfindung (die Berufswahl trägt besonders in Deutschland zur Bildung der eigenen Identität bei) der Jugendlichen, die in der Regel emotional begründet ist. Diese Umstände können dazu führen, dass Betriebe und Jugendliche nicht adäquat miteinander kommunizieren, welches wiederum gravierende Auswirkungen auf Matching Prozesse haben kann. Dieses kommunikative Problem wird in seiner Gesamtheit in Deutschland strukturell unzureichend bearbeitet. Auf der praktischen Seite ist zum Beispiel die Umsetzung von externem Ausbildungsmanagement ein Weg, auf welchem sich die einzelnen Akteure bereits seit vielen Jahren genau mit diesen Schwierigkeiten der Kommunikation beschäftigen.

Aufgrund der Länge des Beitrages wird dieser in zwei Teilen veröffentlicht. Der zweite Teil wird externes Ausbildungsmanagement in praktischer Weise beschreiben und als Lösung verfeinern. Der gesamte Beitrag wird dann als pdf Dokument zur Verfügung stehen. Weitere Informationen zum Teufelskreismodell finden Sie am Institut für Kommunikation von Schulz von Thun unter http://www.schulz-von-thun.de/index.php?article_id=104

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