Bewerbungsdressur – teilweise fatal für die Menschen

Bewerbungsdressur – teilweise fatal für die Menschen<br><img class="text-align: justify" src="https://bildungswissenschaftler.de/wp-content/uploads/2013/07/praxis_120.png"/><img class="text-align: justify" src="https://bildungswissenschaftler.de/wp-content/uploads/2014/08/meinung_120.png"/>

Eine Provokation – mögen machen sagen, die alles dafür tun, dass Jugendliche z.B. in eine betriebliche Ausbildung einmünden. Allerdings passiert hier viel, was einfach Konsequenzen haben kann, die man trotz aller Zugewandheit nicht abschätzen kann. So gibt es auch „Bewerbungstrainer“, deren einziges Ziel jedoch der Verkauf z.B. von Krankenversicherungen ist. Und dies über das Vehikel von Assesmentcenter oder Bewerbungstraining, wie es so gerne angeboten wird. Wie auch immer hat Bewerbungstraining einen hohen Stellenwert und wird mannigfaltig ausgeübt. Hinweise, Ratschläge und „Zeigen von Verhaltensweisen“. Zeigen, was der Jugendliche tun soll. Aber was bedeutet dies denn tatsächlich für alle Beteiligten? Was bedeutet es denn tatsächlich für einen Jugendlichen, dem zig Hinweise und Ratschläge erteilt werden. Teils noch unterschiedlicher Art. Bewerbungstraining ist hier ein Paradebeispiel. Jeder glaubt zu wissen, was in Betriebsinhabern oder Personalverantwortlichen vorgeht. Jeder scheint deren Erwartungen auf das Genaueste zu kennen.

Und oft stellt man fest, dass die Ratgeber häufig selbst nicht als Personaler oder Personalentscheider ausgebildet sind oder als solche gearbeitet haben. Oder mit Personal arbeiten, welches ausgelernt die Stelle wechseln möchte. In manchen Fällen haben die “Bewerbungstrainer” ihr Wissen aus einem Ratgeber oder aus eigener Erfahrung von Vorstellungsgesprächen der eigenen Stellensuche. “Das ist aber so” oder “so erwarten die das” sind vielzitierte Antworten auf die Frage, warum die Bewerbung denn so aussehen soll, wie sie aussieht. Immer wieder gibt es Bewerbungen, die die Bewerber nicht darstellt, sondern versucht mögliche (und häufig vermeintliche) Erwartungen eines Arbeitgebers zu erfüllen.

Dazu gehören auch diese ewigen Versuche, durch unnatürliche Formulierungen bestimmte Schwächen in Stärken umzuwandeln. So wird aus dem Umstand, dass ein Bewerber den höheren Schulabschluss nicht schafft ein “im Laufe des ersten Jahres in der höheren Schule stellte ich fest, dass mir ein handwerklicher Beruf mehr liegt“ und man deshalb eine Ausbildung sucht. Gleiches gilt für das Üben von Vorstellungsgesprächen. Mach dies so, mach dies nicht, sprich nicht laut, sprich nicht leise, zittere nicht mit den Händen, schwitze nicht, der Gesprächspartner will dies und das hören usw. Und das Ganze noch in verschiedenen Variationen, denn häufig ist es das dritte oder fünfte Bewerbungstraining, wobei jedes Mal andere Empfehlungen gegeben werden. Vermisst wird allzu oft, den Jugendlichen zu zeigen, wer sie sind. Ihnen zu zeigen, wie sie authentisch sein können. Ihnen klar zu machen, dass sie vollwertige Mitglieder der Gesellschaft sind. Einzig mit dem Unterschied zu beruflich Erfahrenen, am Anfang ihres Berufsweges zu stehen. Es ist mir immer wichtig zu erinnern, dass wir über die Einstellung in den ersten Schritt des Berufslebens sprechen und nicht in eine neue Arbeitsstelle nach jahrelanger Erwerbstätigkeit.

Es ist mir auch wichtig anzumerken, dass es keine richtigen und keine falschen Bewerbungen gibt. Es gibt nur angemessene Bewerbungen. Und die Bewerbungen sollen für den Jugendlichen werben und nicht für den Schreiber der Bewerbung, der so häufig gar nicht der Jugendliche ist. In verschiedenen Gesprächen mit Vermittlungsakteuren fällt immer häufiger der Satz: die Jugendlichen werden dressiert. Sie werden nicht befähigt, sondern dressiert auf ein Verhalten- auf eine vermutete Erwartung. Tja, und dann geht es in ein Vorstellungsgespräch und man stellt immer häufiger fest: Hey, das hört sich alles prima an. Super. Passung auf den ersten Blick…. aber dann, (mal angenommen der Personalentscheider ändert nicht seine Gesprächsstrategie oder er merkt zwar unbewusst, dass es sich bei der Bewerbung nicht um den Jugendlichen selbst handelt z.B. Sprachstil, Wortwahl, Erklärungen), dann hat der Arbeitgeber Erwartungen und die kann in der Jugendliche sehr oft nicht mehr erfüllen. Das Ziel ist nicht das Bewerbungs- oder Vorstellungsgespräch, das Ziel müsste doch auf die Aufnahme einer Ausbildung in dem Grad abzielen, die der Jugendliche tatsächlich leisten kann. Wie oft muss ich erleben, dass Jugendliche den Erwartungen, die von Betreuern oder Vermittlern geschürt werden, nicht entsprechen (können).

Und manchmal bekommt man das Gefühl, dass die Beteiligten glauben, dass der Personalentscheider dies nicht weiß oder merkt. Der Jugendliche als Individuum wird sehr oft von dem Matchingprozess abgekoppelt. Vor allem die Enttäuschung der Jugendlichen (die sich ja aus ihrem Blickwinkel an die Regeln halten und den Empfehlungen folgen) bei Absagen, machen einem schon zu schaffen. Und dabei ist sicher, dass jeder Bewerber im Kern niemals die Schuld an einer Absage hat, sondern die Umstände und die Rahmenbedingungen. Auf der anderen Seite schauen wir aber auch immer in die Gesichter zutiefst enttäuschter Betriebsinhaber bzw. Entscheider, die die große Erwartung nun nicht erfüllt sehen. Diese Enttäuschung ist katastrophal und folgt sehr oft in der Entscheidung: “Ich bilde nicht mehr aus” oder “Ich gehe keine Kompromisse mehr ein”. Am Ende wird dann in aller Regel dem Jugendlichen die Schuld an der Sache zugewiesen. Vom Betrieb, wie auch allzu häufig von Vermittlern. Und das, obwohl alle nur das Beste für die Jugendlichen im Sinn hatten.

©2015 Achim Gilfert. Dieser Beitrag ist zur Weiterverbreitung nach den in diesem Blog veröffentlichten Regeln zum Urheberrecht veröffentlicht. Diese Regeln finden Sie hier: Urheberrechtshinweise. Bildnachweis Elefanten by Neundart auf www.piqs.de. Lizenzhinweis für die Bilder: http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/de/deed.de

 

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