Die neue Pisa Studie ist veröffentlicht. Ironie an: Die Erwartungen wurden erfüllt

Die neue Pisa Studie ist veröffentlicht. Ironie an: Die Erwartungen wurden erfüllt

Dieser Beitrag ist kurz, es ist meine Meinung und meine Sicht, die aus langen Jahren der Beschäftigung mit unserem Bildungssystem resultiert. Insofern ist es in meinen Augen in Ordnung, kritisch und auch laut zu sein. (Anm. Am Ende des Beitrags stelle ich meine eigene Richtlinie für eine Veröffentlichung auf dem Blog vor).

Ich bin seit jeher kein Freund von PISA Bewertungen und ich gestehe, dass ich mittlerweile resigniere. Ich resigniere vor der Unfähigkeit unserer Gesellschaft und der jeweils gewählten Regierung (es ist nicht der Verdienst einer, sondern vieler Regierungen und auch völlig egal von welcher), im Bereich Bildung auch nur ansatzweise zu positiven Veränderungen zu kommen.

Laut Studie bestimmt die soziale Herkunft noch mehr über den Bildungserfolg als sie es vorher schon getan hat. Die Botschaft: Was wir tun, wirkt nicht. Die Pandemie wird als Ursache gesehen, so die Studie. Nein, das ist sie nicht. Die Pandemie offenbart nur schonungslos. Die Pandemie beschleunigt ebenso schonungslos die ungerechten Umstände in unserem Bildungssystem, die schon lange vorher existierten und sichtbar sind.

Ich bin enttäuscht darüber, dass die Jugendlichen als Konsequenz unseres Bildungssystems wieder vorgeführt werden. Ich werde als naiv bezeichnet wenn ich der Ansicht bin, dass die Bildungsökonomische Vereinbarung der Gesellschaft nicht mehr gesund ist und es wichtiger denn je ist, unsere biologische Existenz in den Blick zu nehmen und unsere Bildung daran auszurichten. Wir arbeiten mit einer Hardware, die über 380.000 Jahre alt ist. „Alles richtig Herr Bildungswissenschaftler – nur fern jeder Realität“. So muss ich es mir öfter anhören.

Was soll ich sagen? Machen wir nicht die Realität? Oder gibt es eine Realität, der wir ausgeliefert sind? Wir sind die Verursacher für die Probleme. Es gibt Länder, da ist es schlimmer, aber es gibt auch Länder, da klappt es deutlich besser. Der hochgelobte Wohlstand wird es sein, der uns weiter in die Bildungskrise hineinführt. Der hochgelobte Wohlstand, der in Schichten zementiert gar nicht allen zur Verfügung steht, nach dem sich aber alle sehnen und alles tun, um ihn zu erreichen. Geld sei der Wohlstand. Geld regiert die Welt. Daran richtet sich alles aus. Daran müssen wir uns alle ausrichten.

Seit über 180 Jahren lernen wir in unserem Bildungssystem praktisch unverändert. In unserem Berufsbildungssystem ungefähr seit den 1920er Jahren. Ebenso kaum verändert. Ich meine gar nicht die Inhalte oder die Methoden in der Bildung. Ich meine die Haltung zur Bildung. Nach wie vor sucht eine besitzende Schicht eine Schicht, die den Wohlstand der Besitzenden sichert und vermehrt. Es gibt Herrschende und es gibt Beherrschte. So sehe ich das auch bei uns. Und die einen wollen, können und werden wenig tun, damit sich das ändert. Die Ergebnisse der PISA-Studie sind im Bereich Bildung Ausdruck davon. Es ist genau der Spiegel des Umstandes, dass soziale Herkunft die größte Rolle in dem System spielt. Denn Bildung ist das Fundament von Macht. Das ist in meinen Augen die tatsächliche Ursache. Und nebenbei: KI macht das ganze Problem noch sichtbarer.

Ich bin ganz sicher, dass es viele anders sehen. Und es ist auch schlimm für all diejenigen, die sich engagiert und mit all ihren Kenntnissen, ihren Fähigkeiten und ihrem Herz für die Kinder und Jugendlichen einsetzen. Dazu gehören auch die ganzen Betriebe und Unternehmen, die an vielen Stellen gar nicht mehr wissen,  wie sie damit umgehen sollen. Ich kann es aber nicht anders sehen wenn ich die Kommentare und auch die Reaktionen der gesellschaftlichen Akteure auf den Bericht lese. Das brauche ich hier nicht aufschreiben. Schauen Sie sich das in den Nachrichten gerne an. Es gibt so gut wie keine bildungsinhaltliche Reaktion.

Warum ich darauf komme? Weil ich hier über die letzten 14 Jahre Beiträge zu unserem Bildungssystem schreibe, welche die Grundlage für mein im November 2023 veröffentlichtes Buch „Theorie & Praxis im deutschen Bildungssystem“ waren.

Es ist ein über 400 Seiten starkes Berichtsbuch, welches aus Theorie und vor allem aus der Praxis über unser Bildungssystem aus verschiedenen Perspektiven berichtet. Schauen Sie sich das gerne an. Sie werden in dem Buch Lösungsansätze finden, die bereits recht breit und an vielen Stellen vorliegen, ausprobiert und evaluiert werden.

Das ist auch genau meine Kritik und das ist die Grundlage für meine Resignation mittlerweile. Wir wissen schon lange, warum die Dinge sind wie sie sind. Es ist keine Frage von Wissenslücken oder einzelnen Defiziten des Bildungssystems. Es ist auch keine Frage des „Tuns“. Es ist eine Frage des „Vertrauens in eine Veränderung“. Vielleicht wollen wir das nicht, weil uns bewusst wird, dass es dann für die Schichten unkontrolliert wird. Vielleicht haben wir Angst, es käme dadurch noch schlimmer. Vielleicht halten wir an den immer kürzer werdenden Kontrollhebeln weiter fest, weil wir den Eindruck haben, damit wenigstes etwas kontrollieren zu können.

Ich möchte eine Fantasiesituation beschreiben. Stellen Sie sich einmal folgendes vor: Ein Partner schlägt den anderen Partner 3 Tage im Monat. Die Geschlagenen verlassen den Partner aber nicht, weil sie ja an 27 Tagen nicht geschlagen werden und es ja doch an 27 Tagen ganz gut und meist unproblematisch ist. Außerdem wissen die Geschlagenen ja, was den Partner zum Schlagen bringt und gehen daher davon aus, Kontrolle darüber zu haben – mit unterschiedlichen Konsequenzen. Dieser Eindruck der Kontrolle beruhigt und kompensiert. Was würden Sie den geschlagenen in dieser Fantasiesituation empfehlen? Was würden Sie dazu sagen?

Wie auch immer es ist. Sie finden die Daten und die Studie im Original unter diesem Link. Schauen Sie sich die Studie an.

In eigener Sache: Ob Sie es glauben oder nicht. Auch ich ringe bei solchen Beiträgen mit der Unsicherheit, ob ich solch einen kritischen Text veröffentlichen soll. Es liegt mir völlig fern, einzelne Menschen oder auch Gruppen zu stigmatisieren oder einseitig zu kritisieren. Allerdings benötigen manche Stimmen mehr Lautstärke, weil sie nicht adäquat beachtet werden. Daher habe ich  mir vor einiger Zeit eine eigene Richtlinie gegeben, anhand derer ich individuell entscheide, ob ich einen Beitrag veröffentliche. Ich möchte Ihnen diese gerne vorstellen:

  1. Zielgruppe und Kontext: Ist die Zielgruppe des Textes für eine solche Meinungsäußerung empfänglich? Ist der Kontext, in dem der Text veröffentlicht wird, angemessen für eine kritische Analyse des Bildungssystems?
  2. Ton und Stil: Wenn der Text in einem sehr direkten und teils kritischen Ton geschrieben ist, dann kann das an manchen Stellen gut ankommen, an anderen jedoch als zu konfrontativ oder polarisierend wahrgenommen werden.
  3. Faktische Genauigkeit und Nachweisbarkeit: Enthalten die Texte mehrere Aussagen und Behauptungen über das Bildungssystem und seine Mängel ist es wichtig, dass diese Aussagen auf soliden Fakten und nachweisbaren Daten basieren, insbesondere wenn der Text in einem akademischen oder professionellen Kontext veröffentlicht wird.
  4. Rechtliche und ethische Überlegungen: Enthält der Text Aussagen, die rechtlich problematisch sein könnten (z.B. Verleumdung oder unwahre Behauptungen)? Sind ethische Richtlinien, insbesondere in Bezug auf den Respekt gegenüber den angesprochenen Gruppen, eingehalten worden?

Im Falle dieser Meinungsäußerung halte ich die Veröffentlichung für legitim.

Wenn Sie möchten, können Sie sich auch weitere Hintergründe und auch Lösungswege ansehen. Sie finden entsprechendes in diesem Beitrag über eine menschengerechtere Gestaltung des Bildungssystems. Oder auch in diesem Beitrag über eine zukunftsfähige Bildungsarbeit.

Quellen: Alle Aussagen zu unserem Bildungssystem finden Sie in dem Buch „Theorie & Praxis im deutschen Bildungssystem“, welches sich auf insgesamt knapp 18 Seiten Quellenangaben bezieht. Dabei gibt es, wie auf dem Blog, verschiedene Kategorien: Beiträge mit wissenschaftlichem Anspruch, Beiträge aus der Praxis und Beiträge als Meinung und Verweis.

©2023 Achim Gilfert. Dieser Beitrag ist zur Weiterverbreitung nach den in diesem Blog veröffentlichten Regeln zum Urheberrecht veröffentlicht. Diese Regeln finden Sie hier: Urheberrechtshinweise.

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