Potential für Missverständnisse im Berufswahlpass – Zugang zum Studium über berufliche Qualifizierung mit Hürde versehen
Ich bin mir sehr sicher, dass es sich bei dieser Grafik zu Missverständnissen kommen kann. Da es in meinen Augen in der Praxis eine durchaus entscheidende Hürde beim Zugang zu einer Fachhochschule sein kann, habe ich das BiBB angeschrieben (weil zentral mit der Koordinierung beschäftigt) mit der Bitte um Überprüfung der Sachverhalte.
Eine Antwort habe ich auch erhalten: „Ich habe Ihr Anliegen an das zuständige Ministerium des Landes NRW weitergeleitet, da das Bundesinstitut für Berufsbildung nicht für den Inhalt des nordrhein-westfälischen Berufswahlpasses verantwortlich ist.“. Dieser Beitrag erhält entsprechende Updates, sofern Rückmeldungen eingehen.
Darum geht´s erstens:
Zuerst einmal freue ich mich sehr darüber, dass in dem Berufswahlpass aus dem Jahre 2020 der Zugang zur Fach/Hochschule über berufliche Qualifizierung explizit erwähnt und diesen integriert wurde. Dort wird der Weg zur Hochschule über die Berufsausbildung aufgezeichnet. Es gibt einen Pfeil, dass man mit einer dualen Berufsausbildung und einer 3-jährigen Berufserfahrung über eine Zugangsprüfung oder ein Probestudium zur Hochschule gelangen kann. Soweit zwar richtig, die Fachhochschule wird allerdings nicht einbezogen. Und die ist oftmals für beruflich Qualifizierte ein sehr häufig angefragtes Ziel.
Meines Wissens nach ist diese angeführte Hürde für die Fachhochschule falsch und gemäß den aktuellen Regelungen nicht mehr notwendig. In der Zugangsverordnung steht:
„[…] einer dem angestrebten Studium fachlich entsprechenden Berufsausbildung und beruflichen Tätigkeit, einer bestandenen Zugangsprüfung oder eines erfolgreichen Probestudiums […].
Das bedeutet richtigerweise ein „Oder“. Entweder mit Abschluss und Berufserfahrung oder mit Probestudium/Zugangsprüfung. Das bedeutet auch, dass man mit einer abgeschlossenen Ausbildung und einer Zugangsprüfung auf die 3-jährige Berufserfahrung verzichten kann (Fachhochschule und allgemeine Hochschule).
Wer also die beiden Voraussetzungen (Abschluss und Berufserfahrung) mitbringt, hat eine Fachhochschulzugangsberechtigung ohne weitere Hürde.
Es ist ein Zugangsrecht für die Fachhochschule und eine Kann-Bestimmung für die allgemeine Hochschule (Universität). Die Hochschule kann daher aber (anders als die Fachhochschule) selbst entscheiden, egal jeglicher Voraussetzung, eine Zugangsprüfung oder ein Probestudium anzubieten. Darüber kann dann auch ein Studium ohne Fachbezug zu der vorangegangenen Berufsbildung aufgenommen werden. Für die Berufliche Beratung ist die angegebene Information sehr missverständlich. Sie ignoriert praktisch einen barrierefreien Weg in das Studium.
Hier finden sich beispielhaft (wie auch an anderen Stellen im Netz) entsprechende Infos.
Darum geht´s zweitens:
Der Pfeil des Meisters und aus Richtung Fachwirt etc. ist zwar richtig, jedoch gibt es diese Abschlüsse mit der Novellierung des Berufsbildungsgesetztes seit Anfang 2020 gar nicht mehr. So sind die Zeiten und Bezeichnungen bei beruflichen Weiterbildungsabschlüssen bzw. Fortbildungsstufen in Facharbeiter, Berufsspezialist, Bachelor Professional und Master Professional verändert worden. Das sind keine „Umbenennungen“, sondern den Fortbildungsstufen hinterlegen andere Curricula und Zeitdauern.
Dabei gilt für den Industriemeister KEINE Anerkennung des Bachelor Professional. Diese gibt es nur für den Meister im Handwerk.
In beiden, hier genannten Fällen, wird eine aktuelle Gesetzeslage nicht richtig dargestellt und in beiden Fällen sollte die Wirkung einer zusätzlichen Hürde für die Jugendlichen in der Durchlässigkeit berücksichtigt werden. Neben diesen haben auch Lehrer & Co die Unterlage vor Augen und werden diesbezüglich ebenfalls unzureichend informiert. Das ist in der Beratung und Berufsorientierung ein sehr schlechter Umstand – vor allem, weil der Berufswahlpass weit verbreitet ist.
Es ist schon schwer genug auf den beruflichen Zugang zu sensibilisieren und wenn ich mir vorstelle, dass die Jugendlichen nun noch konkret präsentiert bekommen, dass sie doch noch eine weitere Hürde zu nehmen haben, um studieren zu dürfen, dann ist das in der Sache wirklich kontraproduktiv. Und da wundere ich mich über die Rückmeldung des BiBB, die an diesem Umstand größtes Interesse haben sollte. Sollte eine Überprüfung ergeben, dass hier nachgebessert werden muss, wäre das schon eine wichtige Sache es dann auch zu tun.
Der Beitrag wird jeweils aktualisiert.
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Was macht eine gute Beratung aus?
Hallo. Einen guten Überblick finden Sie in meiner Handreichung ab Seite 53 https://mensch-und-betrieb.de/wp-content/uploads/E-Book_Gedankenstuetze_Kommunikationsqualitaet-steigern-Konfliktpotentiale-senken_Gilfert_2021.pdf
Und auf diesem Blog gibt es erweiterte Hinweise, was gute Beratung auszeichnet. http://nqhmxep6.web32.alfahosting-server.de/was-zeichnet-einen-guten-berater-eine-gute-beraterin-aus-und-woran-erkenne-ich-das/