Novelle des Berufsbildungsgesetzes – Finaler Gesetzentwurf – Kommentare
Hier findet sich der letzte Stand des Gesetzesentwurfs der Novelle des Berufsbildungsgesetzes (BBiG), welches am 1.1.2020 in Kraft treten wird. Jeder veränderte Punkt ist entsprechend markiert und ausgeführt. Im Weiteren sollen auf dieser Seite Kommentierungen zu dem Gesetz notiert werden. Dazu sammeln wir auch externe Kommentare (die sind entsprechend markiert) und ich selbst möchte den Entwurf und das Gesetz hinsichtlich der Auswirkungen auf das in Deutschland verankerte, duale Berufsausbildungssystem bewerten. Wenn Sie auf das Bild klicken, öffnet sich das Gesetzesdokument in einem neuen Fenster.
Aktualisiert:Erste, globale Kommentierung zu den Veränderungen. Klicken Sie auf „mehr“.
AKTUELL: Der Bundesrat hat das neue Gesetz beschlossen. Der Vermittlungsausschuss hinsichtlich der Abschlussbezeichnungen wird nicht angerufen.
Dieser Beitrag über die Novelle des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) soll eine globale Orientierung über die Änderungen und über eine Bewertung auf die wesentlichen Auswirkungen über Kommentierungen bieten. In einem ersten Teil werden die globalen Veränderungen skizziert, die in der öffentlichen Wahrnehmung im Fokus stehen. In einem zweiten Schritt werden detaillierte Bewertungen zu den einzelnen Punkten vorgenommen. Hier wird dann die Förderlichkeit/Hinderlichkeit der Änderungen auf das Berufsbildungssystem als solches, die Auswirkungen auf den praktischen Ausbildungsalltag im Betrieb sowie auf die Jugendlichen bewertet. Dabei gelten die Änderungen im BBiG mit einer Ausnahme auch für die Handwerksordnung. Das Gesetz tritt zum 1.1.2020 in Kraft. Der Beitrag wird in Etappen erweitert.
Globale Veränderungen, die in der öffentlichen Wahrnehmung im Fokus stehen:
Zuerst – alle geordneten Berufsbilder bleiben in Inhalt und ihrer Zeitdauer erhalten. Diese ergeben sich aus den Ausbildungsrahmen- und Lehrplänen der Berufsbilder und können 24 – 36 Monate dauern. Die Industrie spricht von Auszubildenden, die Handwerksordnung explizit von Lehrlingen (Azubis).
Mindestlohn:
Der Mindestlohn gilt offenbar nicht für alle Berufe (ich weiß noch nicht, welche betroffen sind) und im Rahmen der Tarifautonomie dürfen Tarifpartner mit Vereinbarungen den Mindestlohn unterschreiten. Diese Möglichkeit wurde zum Beispiel auch seinerzeit und teilweise aktuell in der Zeitarbeit genutzt. Diese Regelung gilt für alle Neuverträge ab 1.1.2020. Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB) soll die Regeln zur Mindestvergütung 5 Jahre nach Inkrafttreten wissenschaftlich evaluieren.
Fortbildungsstufen:
Die Bezeichnungen der Fortbildungsabschlüsse ändern sich und sollen sich sprachlich an die der akademischen Bildung angleichen. Dies ist bereits im Deutschen und Europäischen Qualifikationsrahmen (DQR/EQR) umgesetzt.
Die erste Abschlussstufe ist der/die geprüfte Berufsspezialist/in (+400 Stunden Ergänzung über Fortbildung). Der Abschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf ist zur Prüfungszulassung nach § 53b vorgesehen.
Die zweite Abschlussstufe (+1.200 Stunden Ergänzung über Fortbildung), ist der Bachelor Professional. Dieser Abschluss führt nicht zu einem Meisterabschluss, der im Handwerk gem. HWO weiter besteht. Der Handwerksmeister führt seinen Titel weiter und darf zusätzlich den Titel Bachelor Professional führen. Der Abschluss der ersten Stufe oder der Abschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf ist zur Prüfungszulassung nach § 53c vorgesehen. Diese Fortbildungsstufe ersetzt beispielsweise Industriemeister und Fachwirte.
Die dritte Abschlussstufe (+1.600 Stunden Ergänzung über Fortbildung) ist der Master Professional. Der Abschluss der zweiten Stufe ist zur Prüfungszulassung nach § 53d vorgesehen. Diese Fortbildungsstufe ersetzt beispielsweise Betriebswirte/Technische Betriebswirte.
Allen Abschlussbezeichnungen wurde wie bei den Hochschulen ein Titelschutz zugebilligt.
Den Ausführungen des BBiG folgend bleibt das bisherige duale Ausbildungssystem mit Blick auf die reguläre Berufsausbildung bis auf einzelne Punkte (zum Beispiel Mindestlohn) gleich.
Randbemerkung zur Fortbildung: Der Unterschied zwischen dem Bachelor (Universität oder FH) und dem Bachelor Professional wird wie bisher darin liegen, dass der Bachelor Professional seine Fortbildung selbst bezahlen muss, der Bachelor der Hochschule (bei Erststudium) aber nicht. Vor diesem Hintergrund ist die bewusste Entscheidung zu einem Bachelor Professional wenig attraktiv.
Desweiteren: In Zukunft ist ein Auszubildender, der Teil 1 der Abschlussprüfung (zum Beispiel eines 36 Monatigen Berufsbildes) bestanden hat, berechtigt, die Bezeichnung des 24 monatigen, ersten Berufsabschlusses zu führen.
Teilzeitausbildung: Die Änderungen hier sind weitreichend und werden in einem eigenen Beitrag bearbeitet.
Die Datenlage und Datenerfassung über die Ausbildungsverhältnisse wird verändert. Neu ist, das nicht relevante Daten zur Entlastung der Auskunftspflicht (des Gesetzgebers) wegfallen. Welche Daten wegfallen ist mir nicht bekannt.
Die Rechtsgrundlage für die Anrechnung beruflicher Vorbildung ist eine Einzelfallentscheidung. De-Facto wird das heute schon so gehandhabt.
Berufsschulbesuch für alle:
Allen Auszubildenden wird die Freistellung für den Besuch der Berufsschule garantiert. Dies gilt nun auch für volljährige Auszubildende. Die Lehrmittelfreiheit bedeutet, dass Auszubildende ihre Lehrmittel nicht mehr selbst finanzieren müssen.
Die finanziellen Auswirkungen der Novelle auf die Wirtschaft wird mit 57 Millionen Euro angegeben. Dabei ist davon auszugehen, dass die Kostensteigerung direkt auf die Endverbraucher umgelegt wird. Diese Kosten sind, laut Gesetzgeber, nicht zu beziffern.
Weitere Veränderungen im Detail:
Eine andere anerkannte Ausbildung von 24 Monaten ist anrechenbar, wenn es so zwischen den Vertragsparteien vereinbart wurde.
Die Datenübermittlung von Vertragsdaten an die Bundesagentur für Arbeit wird zur Rechtspflicht für Präventivmaßnahmen und Vermittlungsauftrag der Institution. Nach DSGVO kann hier kein Widerspruch von Betroffenen erfolgen.
Wer Handwerksmeister ist, darf gleichzeitig den Titel Bachelor Professional führen. Die Zulassung zur Prüfung zum Master Professional erfolgt demnach auch über die Meisterprüfung im Handwerk.
Eine Fortbildungsordnung kann vorsehen, dass Abschlussbezeichnungen weitere Abschlussbezeichnungen vorangestellt werden können, wenn daran ein besonderes, öffentliches Interesse besteht. Hinzuzufügen ist der Abschlussbezeichnung der Zusatz, aus dem sich zweifelsfrei die Handwerkskammer ergibt, die die Fortbildungsregeln erlassen hat. Unklar ist, was ein besonderes öffentliches Interesse definiert. Es ist davon auszugehen, dass auf Grundlage der Handwerksordnung (HWO) die Handwerksmeister in den zulassungspflichtigen Gewerken in diesem Interesse stehen.
Zulassung zur Abschlussprüfung Teil 2: Nach Artikel 21 §44 Abs. 3 sind diejenigen, die Teil 1 einer Abschlussprüfung bestanden haben oder wer aus Gründen, die er/sie nicht zu vertreten hat, nicht an der Prüfung teilnehmen konnten, zuzulassen. Diese Punkt ist Systemrelevant, da nicht klar ist, was für Gründe das sein können. Gehört eine Krankheit oder eine Zeugenberufung vor Gericht dazu?
Nach §55 sind ausländische Vorqualifikationen zu berücksichtigen. Ebenso Berufstätigkeiten ohne Abschluss. Eine Befreiung einzelner Prüfungsbestandteile bei vergleichbarer Prüfung ist vorgesehen. Auch dieser Punkt ist Systemrelevant, im Besonderen betreffend der Tätigkeit im Beruf ohne Abschluss. Allerdings sind diese Umstände bereits heute über die Versuche von Anrechnungssystemen in der Diskussion. Zumindest auf EU Ebene kann der Europäische Qualifikationsrahmen (EQR) Hilfe leisten – sofern eine Selbsterklärung ausreicht.
Artikel 28 §71 Abs. 9 sieht vor, dass die zuständige Stelle vereinbaren kann, die ihr zugewiesenen Aufgaben durch andere Beteiligte übernehmen zu lassen. Der Vereinbarung muss durch die oberste Landes- oder Bundesbehörde zugestimmt werden. Dieser Punkt ist kritisch hinsichtlich einer, möglicherweise unbeabsichtigten, Förderung des Übergangssystems.
Alle Verträge bis 12/2019 bleiben in Ihrer Fassung unverändert.
Die HWO wird an das BBiG angepasst. Das gilt auch bei der Anrechnung von Vorqualifikationen. Nur der Handwerksmeister bleibt in ursprünglicher Form erhalten.
Im Weiteren finden sich zur Orientierung die Stufen des deutschen und europäischen Qualifikationsrahmen DQR/EQR:
Der DQR hat, wie der EQR, acht Niveaustufen. Während beim EQR zwischen „Kenntnissen“, „Fertigkeiten“ und „Kompetenzen“ unterschieden wird, unterscheidet der DQR „Fachkompetenz“, unterteilt in „Wissen“ und „Fertigkeiten“, und „personale Kompetenz“, unterteilt in „Sozialkompetenz“ und „Selbstständigkeit“. Gemeinsam mit einem „Niveauindikator“, der die für ein Niveau charakteristische Anforderungsstruktur zusammenfassend darstellt, bilden diese Komponenten eine Niveaubeschreibung:
Niveau Qualifikationen
1
Berufsausbildungsvorbereitung
Maßnahmen der Arbeitsagentur
Berufsvorbereitungsjahr
2
Berufsausbildungsvorbereitung
Maßnahmen der Arbeitsagentur
Berufsvorbereitungsjahr
Einstiegsqualifizierung
Berufsfachschule
Hauptschulabschluss
3
Duale Berufsausbildung (2-jährige Ausbildungen)
Berufsfachschule (Mittlerer Schulabschluss)
mittlerer Schulabschluss je nach Bundesland:
Mittlerer Schulabschluss
Sekundarabschluss I – Fachoberschulreife
Mittlere Reife / Mittlerer Bildungsabschluss
Werkrealschulabschluss / Realschulabschluss
Qualifizierter Sekundarabschluss I
4
Duale Berufsausbildung (3- und 3½-jährige Ausbildungen)
Berufsfachschule (Assistentenberufe)
Berufsfachschule (vollqualifizierende Berufsausbildung)
Fachhochschulreife
Fachgebundene Hochschulreife
Allgemeine Hochschulreife
5
IT-Spezialist zertifiziert
Servicetechniker
Fachkaufmann ( HWK ) / ( HwO )
Sonstige berufliche Fortbildungsqualifikationen nach BBIG/HwO
geprüfter Berufsspezialist
6
Hochschulgrade und Staatsexamina: Bachelor, Diplom (FH), Staatsexamen
Fachkaufmann
Fachwirt
Meister
Bachelor Professional
Fachschule (Landesrechtlich geregelte Weiterbildungen):
Staatlich anerkannte/r Erzieher/in
Staatlich geprüfte/r Betriebswirt/in (Alt)
Staatlich geprüfte/r Informatiker/in
Staatlich geprüfte/r Techniker/in
Operativer Professional (IT)
7
Hochschulgrade und Staatsexamina: Master, Diplom (Univ.), Magister, Staatsexamen
Master Professional
Strategischer Professional (IT)
Berufspädagoge
Technischer Betriebswirt (Alt)
Betriebswirt nach Berufsbildungsgesetz und Handwerksordnung (Alt)
8
Hochschulgrad: Promotion (Dr. und Ph.D.)
Hinweis: Dieser Beitrag stellt keine Rechtsberatung und keinen Anspruch auf Vollständigkeit dar. Ich übernehme keine Haftung für den Gebrauch der Informationen. Die Kommentierungen geben die Sicht des Verfassers auf die Veränderungen wieder. Sollten sich Widersprüche finden, kommentieren Sie bitte. Das wird dann berichtigt.
©2019 Achim Gilfert. Dieser Beitrag ist zur Weiterverbreitung nach den in diesem Blog veröffentlichten Regeln zum Urheberrecht veröffentlicht. Diese Regeln finden Sie hier: Urheberrechtshinweise.
Danke
Danke.