Welchen Wert hat ein digitaler Nachrichtendienst für Unternehmen? Ist das auf Berufsorientierungskontexte übertragbar?
Nachrichtendienst? NSA oder so? Ja, im Kern kann man das so sagen, nur das dabei alles legal vorgeht. Warum hat ein digitaler Nachrichtendienst einen so hohen Wert für ein Unternehmen? Und kann man diese Technologie auf Berufsorientierungskontexte übertragen? Jakob Fugger (1459-1525), ein Augsburger Unternehmer, erkannte den Wert eines Nachrichtendienstes als einer der ersten. Er verwendete viel Zeit und Geld, um neueste Informationen über andere Unternehmen, die da unter anderem seine Kunden oder seine Konkurrenten waren, zu erhalten. In Zeiten heutiger, globaler Vernetzung, in welcher eine Information oder Nachricht in Sekunden den Globus umrundet und praktisch unauslöschlich im Netz verbleibt, stellen wir immer wieder fest, dass diese Informationen nicht strukturiert für die eigenen betrieblichen Zwecke ausgewertet werden.
„Zu viele Daten, unsortiert, unübersichtlich, nicht zu überblicken“ sind Antworten, die wir in Gesprächen mit Betriebsinhabern erhalten. „Das kann ein Mensch gar nicht verarbeiten“ so das Resümee. Und es stimmt. Im Jahre 2005 wurden alleine über E-Mails 400.000 Terabyte Daten generiert. Eine Studie aus dem Jahre 2012 (Extracting Value from Chaos) erläutert, dass sich die Menge aller produzierten und gespeicherten Daten alle zwei Jahre verdoppelt. 1,8 Zetabyte entsprechen mehr als 200 Milliarden Filmen á 2 Stunden Lände in HD Qualität. Um sich diese anzuschauen bräuchte man 47 Millionen Jahre. Nun sind wir 5 Jahre weiter. Weiteres Rechnen ist nicht lohnenswert. Klar ist – alleine durch die Menge der Daten sowie einer konsequenten Zusammenführung und Auswertung lassen sich extreme Wissensvorsprünge generieren. Die daraus gewinnbaren Schlüsse können bei Umsetzung den betrieblichen Erfolg deutlich steigern.
Der Augsburger Unternehmer besaß genau diesen Gedanken und die Sammlung der Informationen hatte auf schnellstem Wege zu erfolgen. Fugger hatte in seinem Büro einen Briefschrank, in welchem er alle Schriftstücke und Informationen aufbewahrte, die seine Informanten aus aller Welt nach Augsburg brachten. So wusste er, falls es in Griechenland nicht regnete, dass die Weinpreise steigen werden und dass die Absetzung eines Königs zu Absatzschwierigkeiten von Waren in der betreffenden Region führen kann.
In einem ersten Schritt hatte er jede Person in seiner Firma, wie auch in seinen weltweiten Niederlassungen angewiesen, jede Information aufzuschreiben und nach Augsburg bringen zu lassen. Dabei sollte nicht darauf geachtet werden, ob diese Information eine Relevanz für den Betrieb haben kann oder nicht. Diese Bewertung oblag nur Fugger selbst. Leider war das damals mühselig. Ein Bote brauchte von Venedig nach London zwischen 23 und 51 Tage, je nach Jahreszeit und Transportmittel. Viele Nachrichten blieben auch auf der Strecke, da Boten überfallen wurden, die Nachrichten und den Adressaten verrieten oder die Boten simpel und ergreifend unzuverlässig waren und den Auftrag nicht ausführten.
Mehr als 20 bis 30 Km waren am Tag kaum zu schaffen. Fugger wusste um die Rahmenbedingungen und investierte in ein kleines Unternehmen, welches den Nachrichtentransport sicherer und zuverlässiger machen sollte. Den Auftrag erhielt Franz von Taxis, die Dienstleistung wurde später zur Post. Die Boten waren nun zu Pferd unterwegs und idealerweise fanden sich alle 20 – 40 km Stationen, in welchen Pferd und Reiter gewechselt werden konnten. 160 km waren nun täglich möglich. Praktisch 5 x so schnell wie vorher. Zusätzlich musste die Übergabe der Informationen lückenlos dokumentiert werden. Die Zuverlässigkeit erhöhte sich damit um ein vielfaches.
Zusätzlich entsandte Fugger selbst Kuriere und Agenten, die bestimmte Stellen und auch Regierende besuchen sollten, um Informationen aller Art zu sammeln. Denn mit den Herrschenden gut gestellt ließ sich mehr Geschäft generieren. Dabei wurden die Neuigkeiten von diesen Kurieren nie direkt und isoliert aufgeschrieben, sondern folgten immer am Ende eines Schriftstückes, in welchem geschäftliche Inhalte zu finden waren. Diese Neuigkeit hieß „Zaitung“. Wichtig war also für Fugger, die aus heutiger Sicht spärlichen Daten aus unterschiedlichen Quellen zu sammeln, zu ordnen, zu bewerten und auszuwerten. Daraus konnte Fugger dann ein für Ihn aussagekräftiges Bild erstellen.
Wir haben heute den Vorteil, dass die Daten nicht mehr mühsam gesammelt werden müssen, sondern in verschiedenen Formen bereits digital vorliegen. Wie im ersten Absatz beschrieben, sind wir als Mensch aber kaum in der Lage, diese Massen an Daten zusammen zu bringen. Das ist richtig, aber wir sind in der Lage, Systeme zu erstellen, die diese Arbeit übernehmen. Wir lassen Automaten die Daten beobachten und Filtern. Folgend werden Sie nach unseren Wünschen eingrenzt und so erhalten wir am Ende für uns und unsere betrieblichen Interessenslagen verwertbare Informationen, die uns neue Handlungsfelder ermöglichen. So zum Beispiel die Konkurrenzbeobachtung, die Kundenbeobachtung oder das Erkennen von Neukundenpotentialen.
Soweit der Bericht aus der Praxis. Was ist nun mit der Berufsorientierung? Dort gibt es das gleiche Problem. Es gibt eine riesige Datenmenge im Netz, eine Unzahl von Quellen, Projekten, Best Practice u.s.w.. Es gibt in der Forschung klare Erkenntnisse dazu. Beck´s Multioptionsgesellschaft ist eine der bekanntesten. Die schiere Informationsmenge – respektive auch Wahlmöglichkeit führt zu Unorientierung und auch Unsicherheit. Können wir über das Zusammenführen und Filtern von Daten für die Jugendlichen „schlüssigere“ Bilder erstellen, damit sie in der Lage sind, diese Informationen für ihre Bedürfnisse zu Bewerten?
Ja, das geht. Technologisch ist das alles sogar kostenfrei verfügbar. Es scheitert aber an den Suchbegrifflichkeiten. Wie finden wir Informationen, von denen wir nicht wissen, dass es sie gibt? Oder wissen Sie, dass es ein Raumspray „Chicken Soup„ gibt. Oder würden Sie je die Begriffe „Bäckerei“ und „Leichenteile“ eingeben. Das ist ein Problem von Innovation – und theoretisch kämpfen Jugendliche in der Berufswahl mit einem Innovationsproblem. Wir können keinen direkten Suchbegriff eingeben, sondern nur versuchen, über angenommene Nebenbegriffe irgendwie an „neue“ Inhalte zu kommen. Eigentlich benötigen wir eine Wortumfeldsuche, bestehend aus konkordierenden Worten, die uns das Finden von Schlagworten erlaubt. Hier ist Textanalytik das entsprechende Werkzeug. Auch das gibt es kostenfrei im Netz. Nun gilt es noch, die Begrifflichkeiten mit dem Auftreten im Netz abzugreifen. Wie ein Seismograph. Hier wird auch nur einmal das Ereignis aufgezeichnet und wir wissen nur das es ein Beben gab, weil es auf dem Aufzeichnungsgerät vermerkt ist. Das leistet dann zum Beispiel in unserem Kontext Google Alert. Nun fehlt noch das Know How, das alles zusammen zu stellen. Am Ende filtern wir nochmals nur durch die eigene Bewertung. Und da können wir zum Beispiel von Unternehmensnetzwerken lernen, die so etwas für ihre Mitglieder anbieten. (www.surface-monitoring.de). Wer fragen dazu hat, findet auf der Seite eine Telefonnummer für Nachfragen.
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